In den letzten 2-3 Jahren habe ich eine Vielzahl von Artikeln und Posts mit vergleichbaren Titeln gelesen und momentan kann man kaum an einer PM-Veranstaltung teilnehmen, ohne eine Präsentation oder Diskussion zu diesem Thema zu hören.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich liebe die Dynamik, die das Thema erzeugt und die Tatsache, dass sie die PM-Community aus ihrer Komfortzone lockt. Das war lange Zeit dringend nötig. Dennoch denke ich, dass wir bei dieser Diskussion immer noch kein gemeinsames Verständnis haben. Hier ist mein Versuch, zu erklären, warum…
Kurz – und ein wenig übertrieben – zusammengefasst, worum es in den meisten dieser Artikel/ Präsentationen geht:
- Wir leben in der VUCA-Welt, alles muss schneller gehen.
- Projektmanagement und die damit verbundenen behäbigen Strukturen reichen nicht aus, um der zunehmenden Komplexität gerecht zu werden.
- Sieh uns an! Wir sind jetzt agil! Wir haben uns in funktionsübergreifenden Teams organisiert. Niemand braucht mehr einen Projektmanager. Wir sind selbstorganisiert.
- Hier sehen Sie ein sehr gutes Bild von unserer Anpassung des Scrum-Prozesses.
- Womit haben wir zu kämpfen? Nun, das Mindset zu ändern ist schwer. Aber jeder liebt die neue Struktur und wir werden es schaffen.
- Zusammengefasst: Wenn Sie überleben wollen, sollten Sie sofort zur „Agilität“ übergehen; im Grunde ist das die Antwort auf alle organisatorischen Probleme.
Nun, ich kann verstehen, dass sich das verkauft. Es ist eine attraktive Geschichte. Es „berührt“ Menschen emotional, indem es bestehende, subjektive Probleme anspricht.
Aber ich möchte reflektieren, was mir durch den Kopf geht, wenn ich mir das anhöre …
- Der Hauptkritikpunkt: Hier steht Projektmanagement in der Kritik. Aber alle Kritikpunkte zielen auf das „magische Dreieck des Projektmanagements“ ab, das seit den 1990er Jahren veraltet ist. Es wirkt, als hätten sich viele „agile Evangelisten“ nicht mit modernem Projektmanagement im Detail beschäftigt. Ansonsten würden sie erkennen, dass es eine ähnliche Haltung und mögliche Synergien gibt.
- Das Projektverständnis: Aus meiner Sicht existiert kein gemeinsames Verständnis davon, was ein Projekt per Definition ist und was der Nutzen des Projektmanagements sein könnte. Dieser Nutzen kann nur realisiert werden, wenn Projekte eine gewisse Komplexität aufweisen. Eine Aufgabe, die 20-30 Personentage an Ressourcen benötigt, ist aus meiner Sicht nicht „Projektwürdig“.
- Die empfohlene Lösung: funktionsübergreifende Teams, die in einem Scrum-kind-of-way arbeiten, könnten eine gute Idee sein. Da diese Teams jedoch neue permanente Organisationseinheiten bilden, wird eigentlich das Prozessmanagement optimiert. Es entsteht eine neue permanente Organisationsstruktur, aber eben nicht mehr funktional, sondern prozessorientiert. Das kann sinnvoll sein oder nicht, abhängig vom Kontext des Unternehmens. Es wird fast nie auf die bestehenden Herausforderungen im Projektmanagement und die Zusammenhänge von Projektmanagement und agilen Ansätzen eingegangen.
Es gibt noch weitere Themen, die ich gerne diskutieren würde, was jedoch den Rahmen des Beitrags sprengen würde. Einige meiner Aussagen könnten daher irritierend sein und zu Verwirrung führen. Let‘s chat!
Meine Schlussfolgerungen:
- Die PM-Community muss sich „bewegen“, wir müssen uns weiterentwickeln und uns für komplementäre Ansätze öffnen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir uns in einem „Religionskrieg“ um Methoden und Ansätze befinden und das Gesamtbild aus den Augen verlieren: Projekte zu realisieren, die einen Nutzen stiften.
- Die Agile-Community muss ihre Hausaufgaben machen, um zu verstehen, was sie kritisiert. Ich bin mir sicher, dass damit eine fundierte Basis für die nächsten gemeinsamen Schritte geschaffen wird.
- Letztendlich geht es darum, nachhaltigen Business Value für Ihr Unternehmen zu schaffen.
For English version please see: https://lnkd.in/dtqS5SC
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